Schneider (2.Teil)

»Schneida, Schneida, leih ma d’Schaar!…«

Tischzeichen der Schneiderzunft im Landgericht Dachau, Glasgehäuse mit versilbertem und vergoldetem Kupferblech, Höhe: 51 cm, 1848 © Bezirksmuseum Dachau

war ein früher unter Kindern beliebtes Spiel im Freien, das heute kaum noch bekannt ist,* – geschweige denn zum Spielen animiert. Denn, wo gibt es heute noch die Herrenschneider, Maßschneiderinnen für Damenkleidung oder die Näherinnen für Wäsche, Babykleidung und die Aussteuer der Braut, die dem Spiel den Namen gaben und früher in der Stadt und auf dem Land ihr Handwerk ausübten? Längst ist Kleidung Massenware von der Stange und Mode wird von Marken bestimmt. Wurde früher auch manches Spottlied wie »Zu Regensburg auf der Kirchturmspitz…«** über die Schneider gesungen, sieht die Wirklichkeit heute noch weit düsterer aus: Die Textilindustrie ist so in solchen Verruf geraten, dass selbst ein Spottlied nicht mehr passend erscheint.

Doch, wie geht das alte Kinderspiel?

Grundsätzlich braucht man mindestens vier, besser noch mehr Kinder und nicht zu weit auseinander, am besten im Kreis stehende Bäume, also einen Wald oder Obstgarten. Letzterer ist inzwischen fast noch seltener geworden als das Schneiderhandwerk. Nun stellt sich jedes Kind – bis auf eines – an einen Baum. Das freie Kind steht in der Mitte, wendet sich einem Mädchen oder Jungen zu und ruft: »Schneida, Schneida, leih ma d’Schaar!«. Das angesprochene Kind antwortet: »Geh zum Nachbarn, i hob koane!« Daraufhin wechseln alle Kinder ihre Plätze und das »baumlose« Kind versucht nun einen Baum zu ergattern. Gelingt ihm das, muss jemand anders in der Mitte.**

* ›Bäumchen, Bäumchen wechsel dich!‹ oder ›Kämmerchen vermieten‹ sind Lauf- und Fangspiel, die auf dieselbe Weise gespielt werden. – Vgl.: Theodor Rulemann: Das große illustrierte Spielbuch, Berlin 1905, 442.
** Das Spottlied entstand um die Mitte des 19. Jahrhunderts und ist in zahlreichen Varianten bekannt.