Wagner

»Die Bauern suchen ständig die Hilfe des Wagners«

Wagnerei Hotschewar in Hilgertshausen, Fotografie um 1925 – Im Vordergrund: Auf dem »Wagnerbock« entsteht ein Speichenrad. © Bezirksmuseum Dachau

notierte der Schwabhausener Wagnermeister Jakob Roth (1902–1986) rückblickend in seinen ›Erinnerungen‹.* Noch bis in die 1950er-Jahre existierte in nahezu jedem größeren Ort eine Wagnerwerkstatt. Zu dieser Zeit waren es tatsächlich fast ausschließlich nur mehr die Bauern, die den Wagner ständig benötigten. Heute werden dessen Aufgaben vom Landmaschinen-mechaniker bzw. -mechanotroniker erledigt.

Prunkstück »Kammerwagen«: großer Leiterwagen mit der Aussteuer einer wohlhabenden Braut, die in einen großen Bauernhof einheiratet, Länge des Leiterwagens: ca. 6 Meter, um 1850, © Bezirksmuseum Dachau

Wie der Dorfschmied so besaß einst auch der Wagner in der ländlichen Gesellschaft eine Schlüsselfunktion und war sein handwerkliches Können und Wissen unentbehrlich. Schließlich fuhren allerorten Kutschen und wurden, bevor es Eisenbahnen gab, die Waren über Land auf Fuhrwerken transportiert. Jede Familie besaß zumindest einen Handwagen. Der Wagner – andernorts nannte man ihn Stellmacher – baute sie alle: aus verschiedenen Hölzern große und kleine Transportfahrzeuge, ein- und mehrspännige Kutschen, Leiter- und Mistwagen, Hand- und Schubkarren, Schlitten und Gestelle für Pflüge, Eggen und viele andere Gerätschaften.

Die Dachauer Bräuwirtin Josephine Ziegler (1844–1920) lenkt ihren Einspänner am Zollhäusl vorbei zum Karlsberg, Fotografie von 1906, © Bezirksmuseum Dachau
August Haas mit dem Ochsenfuhrwerk auf der Münchner Straße in Dachau. (Im Hintergrund: Künstlerhaus, genannt »Spatzenschlössl«, von Hermann Stockmann), Fotografie von 1929, © privat

Das Wagnerhandwerk war vielseitig und setzte bei Meister und Geselle eine umfangreiche Materialkunde und große Fertigungskenntnisse voraus. Der Bau eines Speichenrads galt als Königsdisziplin und so wurde das Holzrad zum Symbol des ganzen Berufstands.

Werkstattzeichen einer Dachauer Wagnerei
Holz und Eisen, Durchmesser: 33 cm, 19 Jahrhundert
© Bezirksmuseum Dachau, 2022

Zum Aufziehen des Eisenreifens auf das fertige Rad ging der Wagner zum Schmied in der Nachbarschaft. Die enge Zusammenarbeit beider Handwerke brachte es mit sich, dass bis zum Beginn der Gewerbefreiheit Mitte des 19. Jahrhunderts beide Berufe meist gemeinsam in einer Zunft zusammengeschlossen waren. So wie auch die Dachauer Wagner und Schmiede, deren Aufding- und Freisprechbuch aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhundert im Bezirksmuseum verwahrt wird. Fortschreitende technische Innovationen im Verkehrswesen und zunehmend industrielle Serienproduktion ab Mitte des 19. Jahrhunderts brachten neue Berufe hervor und entzogen der Wagnerei nach und nach den Boden. Heute führt das Handwerk ein Nischendasein.

*Zitiert aus: Arbeitswelten. Geschichte(n) über Handwerk und Gewerbe, Dachau 2021, 14.